Der Traum von Frieden – J.T. Rogers Politthriller im Theater Regensburg
Kann ein Dialog zwischen Todfeinden zu einem für beide Seiten akzeptablen Ergebnis führen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Regisseur Klaus Kusenbergs Interpretation von J. T. Rogers Politthriller «Oslo – Mission für den Frieden», welche am 21. September 2019 ihre Premiere im Velodrom-Theater Regensburg feierte. Eine Theaterkritik.
von Yvonne Mikschl
Oslo 1993. Die Verhandlungen zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO und den Israelischen Diplomaten sind festgefahren. Eine fehlende Übergangslösung brachte die Madrider Friedensverhandlungen zwei Jahre zuvor zum Scheitern. Eine Lösung des Konflikts um Israel scheint nicht in Sicht. Auch die Amerikaner, die in den Verhandlungen mit am Tisch sitzen, wissen nicht mehr weiter. Genau an diesem Punkt setzt J. T. Rogers mit seinem 2016 erstmals uraufgeführten Stück «Oslo – Mission für den Frieden» an und gewann mit der Geschichte um die norwegischen Mittelsmänner 2017 den 71. Tony-Award für das beste Stück.
Um was geht es genau?
Terje Rød-Larsen (Gero Nievelstein), Leiter des norwegischen Instituts für Angewandte
Sozialwissenschaften, kommt während einer Israelreise mit seiner Frau Mona Juul (Katharina Solzbacher) auf die Idee, einen geheimen Kanal ins Leben zu rufen, um die Israelis mit der PLO gemeinsam in einen Dialog zu bringen. Juul, anfangs weniger von der Idee ihres Mannes überzeugt, schafft es als Beamtin des norwegischen Außenministeriums in einem Herrenhaus außerhalb von Oslo und unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen, Vertreter beider Seiten einzuladen. Wenig später sitzen Jair Hirschfeld (Michael Haake) und Ron Pundak (Kristóf Gellén), beides Wirtschaftsprofessoren der Universität Haifa, dem Finanzminister der PLO Ahmed Kurei (Gerhard Hermann) gegenüber. Anfangs herrscht Misstrauen, doch nach und nach baut sich eine Art Vertrauen auf und auch die Dialoge untereinander werden lockerer, vor allem als beiden Seiten klar wird, dass kaum Unterschiede zwischen ihnen bestehen. Die Sache hat nur einige Haken: Zum einen riskieren beide Seiten, die der Traum nach Frieden eint, mit diesen inoffiziellen Gesprächen ihre Jobs (auch Mona und Terje), zum anderen läuft das Ganze unter Ausschluss der Amerikaner. Immer wieder scheint das Projekt aufgrund verschiedener Lecks zum Scheitern verurteilt zu sein, doch weder Mona noch ihr Mann denken daran aufzugeben, auch wenn sie genau wissen, dass alles umsonst sein könnte. Nach und nach gewinnen die Initiatoren immer mehr offizielle Beamte dazu, bis schließlich eine Rahmenvereinbarung zustande kommt, die beiden Seiten Zugeständnisse macht und die in Washington unterschrieben wird. Nachdem die darauffolgenden Ereignisse wie die Ermordung der teilgenommenen Politiker oder die Wahl von Netanjahu zum Ministerpräsidenten Israels in einem kurzen Überblick aufgezeigt werden, versucht Terje Mona noch einmal davon zu überzeugen, ein weiteres, ähnliches Projekt zu starten, doch Mona antwortet nur, dass sie sich nicht sicher sei, ob es das Richtige wäre.
Die Wahrheit des Stücks
J. T. Rogers Politthriller, der im Original drei Stunden dauert, basiert auf wahren Ereignissen. Larsen und Juul sind tatsächlich an der Prinzipienerklärung beteiligt gewesen. In einem Monolog zum Beginn des Stücks erklärt Larsen, auf welche diplomatische Theorie er sein Vorgehen beruft: Der Gradualismus basiert auf Vertrauen, welches durch Verhandlungen im persönlichen Dialog zwischen beiden Parteien hervorgerufen wird, ohne dass ein dritter Mittelsmann – in diesem Fall die Amerikaner – irgendwelche Vorgaben diktiert. Dieses Prinzip führt auch zu Oslo I, ein Rahmenvertrag und keine Friedenserklärung. Auch die vorkommenden Hauptcharaktere basieren auf den historischen Tatsachen, wobei die überspitzte Darstellung des israelischen Außenministers Schimon Peres (er komme einfach bei seinen Ausführungen nie zum Punkt) eventuell nicht realitätsgetreu ist. Dass die Amerikaner nicht daran beteiligt waren, ist genauso wahr wie die Tatsache, dass Oslo und damit ganz Norwegen in diesem Konflikt als neutrale Partei dastehen. Die Prinzipienerklärung über die vorübergehende Selbstverwaltung – besser bekannt als Oslo I-Abkommen – wurde am 13. September 1993 von Jitzchak Rabin und Jassir Arafat im Rosengarten des Weißen Hauses unterzeichnet – ein historischer Moment, den Millionen von Fernsehzuschauern live verfolgten.
Die Regensburger Inszenierung
Regisseur Klaus Kusenberg, der in der letzten Spielzeit unter anderem das Stück «Wer hat Angst vorm weißen Mann?» auf die Bühne brachte und seitdem als Schauspieldirektor im Theater Regensburg agiert, gelingt in seiner Inszenierung die auf den Punkt bringende Darstellungsweise der wichtigsten Ereignisse. Wenn auch die Dialoge sehr langatmig erscheinen und man gerade als junger Mensch nicht wirklich über die damaligen Ereignisse informiert ist, so kann man der Handlung dennoch folgen. Besonders Katharina Solzbacher, die nicht nur in ihrer Rolle als Ehefrau und Mitorganisatorin der Gespräche brilliert, agiert nebenbei als Erzählerin und klärt das Publikum über Handlungssprünge und die Figuren auf. Gerade im ersten Akt, wo ein Rückblick auf die Anfänge des Unterfangens geworfen wird, gibt Solzbacher dem Zuschauer mit ihren Informationen einen roten Faden an die Hand, der durch das Stück erklärend führt. Während des Stücks, das eine berechtigte Länge von zwei Stunden und fünfundvierzig Minuten (inklusive Pause) aufweist, bleiben keinerlei Zweifel an der Realitätstreue. Videoeinspielungen im Hintergrund zeigen Anschläge, Proteste mit brennenden Fahnen und am Ende sogar den historischen Moment im Weißen Haus – immer mit Hintergrundinformationen von Juul selbst. Die Musik wird während des Stücks dezent eingesetzt und sorgt gegen Ende der Verhandlungen für die nötige Spannung. Insgesamt gelingt der Crew um Dramaturgin Saskia Zinners-Krys ein spannungsgeladener Politthriller, der durchaus einige humoristische Stellen aufzuweisen hat.
Fazit
«Oslo – Mission für den Frieden» zeigt auf eindrucksvolle Art und Weise, wie der persönliche Dialog zwischen Todfeinden zu einem Abkommen mit großer Tragweite führen kann. Die Regensburger Inszenierung ist in der Form, wie sie gezeigt wird, trotz der Oslo I-Erklärung von 1993 – oder gerade deswegen – stets brandaktuell. Erst die Zeit wird zeigen, ob die Osloer Erklärung tatsächlich den Weg aus der Krise bahnen kann. Denn die historische Reise geht ja schließlich weiter – trotz des Oslo-Abkommens. Und eine Einigung ist bis heute im Israel-Konflikt gerade nach den Neuwahlen nicht in Sicht. Vielleicht ist die Idee des Gradualismus, so wie sie im Stück umgesetzt wird, tatsächlich der Weg zu mehr Frieden in der Welt, wer weiß das schon so genau?
Informationen
«Oslo – Mission für den Frieden»
deutschsprachige Bearbeitung von John Birke, Original von J. T. Rogers
Theater im Velodrom, Arnulfsplatz 4b, Regensburg
Preise: 15,70 € – 38,10 € (Ermäßigungen möglich)
Für Studierende gibt es ab 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn die „Last-Minute-Tickets“ für nur 8 Euro für vorhandene Restkarten. Die Karten gibt es immer an der Abendkasse des jeweiligen Spielorts.
Wer seinen Theaterbesuch etwas langfristiger planen möchte, kann auf die Theaterkarte zum Spartarif setzen: Für Studierende gibt es auf Theatertickets eine Ermäßigung von 50 % auf den Nettokartenpreis!
Die Ermäßigungen gelten für SchülerInnen, Studierende, Auszubildende und TeilnehmerInnen eines Bundes- oder Jugendfreiwilligendienstes bis zum 30. Geburtstag. Die Eintrittskarten gelten nur in Verbindung mit dem entsprechenden gültigen Ausweis. Diesen bitte beim Kauf und Einlass unaufgefordert vorzeigen.
Ticketpreis trotz Ermäßigung: mind. 5,50 €.
Karten an der Theaterkasse oder per Telefon unter der 0941 / 507 24 24 (für Reservierungen)
Aufführungstermine und Online-Tickets unter https://www.theater-
regensburg.de/spielplan/details/oslo-mission-fuer-den-frieden/
alle Fotos: © Jochen Quast, zur Verfügung gestellt von der Pressestelle des Theater
Regensburg.