Bitte lächeln, WG-Bewerber-Nr. 61!
Anmeldung, Recall, Siegerkrönung: Der Weg zum WG-Platz gleicht häufig einer Talentshow. Auch ich war Kandidat bei einigen Castings mit dem Motto WGSDSM–»WG sucht den Super-Mitbewohner!«. Ein Tag mit zwei Vorsprechen ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Das eine Mal war die Show schon zu Ende, als ich vor der Tür stand. Das andere Mal war das Teilnehmerfeld so groß, dass die WG-Junioren auf Fotos und Nummern zurückgreifen mussten.
von Fabian Westermeyer
Über die erste Einladung freute ich mich riesig. Lange Zeit waren meine Anfragen auf den gängigen Internetseiten für WGs unbeantwortet geblieben. Wie ich feststellten musste, war ich bei vielen Angeboten schon ich schon zu spät, wenn ich am nächsten Tag auf die Anzeige reagierte – andere waren noch schneller wieder offline. Als Folge entwickelte ich den Reflex, die Website alle paar Stunden aufzurufen, um nicht in der Kandidaten-Flut unterzugehen. Schließlich hatte ich Erfolg. Dann sogar mit zwei Terminen an einem Tag, was für mich als Auswärtigen gleich doppelt praktisch war. Der erste Schritt auf meinem Weg zu einem Wohnplatz war also geschafft. Jetzt musste ich nur noch vor der Jury bestehen. Mit Ratgebern im Netz bereite ich mich auf den Live-Aufritt vor und erfuhr welche kuriosen Challenges mich erwarten könnten. Mein großer Tag begann ganz unaufgeregt. In der Früh prüfte ich schnell meine E-Mails, bevor ich ausgestattet mit einem Bayernticket und einer Menge Optimismus Richtung Regensburg startete. Vor der Haustür der ersten Wohnung angekommen, klingelte ich beim ausgemachten Namensschild und wartete geduldig. Das Spiel wiederholte sich mehrere Male, ehe der Vermieter nach wenigen Minuten verdutzt die Tür öffnete. Nachdem ich mich und den Grund meiner Anwesenheit kurz vorgestellt hatte, bekam ich nur ein »Was machen Sie denn hier?« als Antwort. Darauf folgte nach kurzer Pause: »Haben Sie meine Nachricht nicht erhalten?« Ich war gerade dabei mein Handy rauszuholen, da erklärt er mir, dass der WG- Platz schon an einen anderen Kandidaten vergeben worden war und dass er mich bereits informiert hatte. Allerdings war die Nachricht auch erst zwei Stunden vor dem ausgemachten Treffen abgeschickt worden, wie ich beim Blick in meine E-Mails lernte. Dass ich zu dem Zeitpunkt schon lange im Zug saß, wo zudem nicht unbedingt das beste Internet herrscht, hatte er außer Acht gelassen. Mich hatte also ein ähnliches Schicksal getroffen, wie die Kandidaten bei Wer wird Millionär, die nicht schnell genug beim Auswahltest im Studio waren und dem ganzen Schauspiel nur noch von außen zusehen können. Leicht enttäuscht über den entgangenen Gewinn setzte ich meine Wohnungssuche fort. Zum Glück hatte ich aber noch eine zweite Chance auf eine Bleibe an dem Tag. Für den nächsten Termin checkte ich dann alle Informationskanäle doppelt und dreifach, damit wenigstens dort alles nach Plan verläuft. Während bei der ersten Wohnung der Eigentümer selbst ein Mitspracherecht bei der Kür der WG-Neubesetzung hatte, waren die WG-Bewohner beim späteren Treffen die Einzigen, die ich überzeugen musste. Ohne die Einmischung von oben gestaltete sich die Terminfindung wesentlich entspannter – fast zu entspannt. Statt eines festen Termins sollte einfach jeder Interessierte an einem von zwei Tagen vorbeischauen und zwar ganztags, denn sie würden schon Zuhause sein. Nachdem ich das richtige Stockwerk gefunden hatte, grüßte mich im Gang die erwartete Flut von Bewerbern. Ein kurzes Nachfragen bestätigte, dass wir alle den gleichen Wunsch teilten und so reihte ich mich in die Schlange von Leidensgenossen auf der Wohnungssuche ein. Knapp eine halbe Stunde wartete ich im Backstage-Bereich; dann war ich an der Reihe. Mit ein paar Sätzen wurde jeder Raum der 3-Personen-WG, inklusive des zukünftigen Zimmers, abgehakt. Danach fanden wir uns auch schon am Tisch in der Küche wieder. Nach dem anfänglichen Vorstellen wechselte das Gesprächsthema schnell auf die für sie wichtigsten Qualitäten ihrer zukünftigen WG-Ergänzung, »Feierst du gerne?« und noch wichtiger für sie »Bist du gerne Gastgeber?«. Meine Antwort auf die zweite Frage »Ab und zu schon gerne, aber immer Gastgeber muss dann doch nicht sein« bekam leider keinen Daumen hoch von der Jury. Damit war das Vorsprechen auch schon so gut wie beendet. Ich bekam noch die Möglichkeit mich in die Liste der Kandidaten einzutragen, die auf dem Küchentisch direkt vor ihnen lag. Zunächst machten mich die wenigen Namen zuversichtlich, aber dann merkte ich, dass es sich schon um die Rückseite des nummerierten Zettels handelte. Resigniert über die Erfolgsaussichten auf eine günstige Bleibe notierte ich meinen Namen auf Platz 61. Die lange Liste an Interessenten bestätigte mein Gefühl, wonach ich wohl eher provisorisch durch die Wohnung geführt worden war. Um noch eine Übersicht zu behalten, veranstalten die beiden am Ende noch ein »Fotoshooting«. Der für Germany’s Next Topmodel typische Gang über den Laufsteg blieb mir glücklicherweise erspart. Die Perversion der Casting-Metapher hat damit auch ihren Gipfel erreicht, denn ein Foto hatte die WG in der nächsten Woche leider nicht für mich und somit durfte ich nicht zum »Modelhaus« zurückkehren.