Leben neben einer Dauerbaustelle
Die Bevölkerung von Regensburg wächst. Von aktuell knapp 150.000 soll die Einwohnerzahl laut dem Landesamt für Statistik auf über 200.000 im Jahre 2037 ansteigen. Dementsprechend fleißig werden aktuell Wohnungen hochgezogen. Der Bauboom macht auch vor meiner Nachbarschaft nicht halt und hielt bereits einige Überraschungen für mich bereit, darunter auch eine Bombenentschärfung.
Von Fabian Westermeyer
Seit zwei Jahren wohne ich inzwischen in meinem Studentenwohnheim im Regensburger Westen, solange konnte ich vom gemeinsamen Balkon aus stets den Fortschritt von Bauarbeiten kontrollieren. Lediglich im Winter musste ich darauf verzichten, aber wer setzt sich schon bei Minusgraden mit dem Gartenstuhl nach draußen. Die emsigen Bauarbeiter, die Materialien herumtrugen und vom dritten Stock wie Ameisen aussahen, bildeten dabei an so manchen Tagen mein morgendliches Unterhaltungsprogramm zum Kaffee. In all dieser Zeit grüßten mich außerdem deren gelbe Baukräne, an die ich mich mittlerweile als permanente Teile der Landschaft gewöhnt habe. Nachdem sie zunächst unmittelbar neben mir bei der Errichtung von einem neuen Studentenwohnheim mithalfen, haben sie mittlerweile die Straßenseite gewechselt und ziehen dort ein riesiges Einkaufszentrum für den Stadtteil hoch. Für dieses Vorhaben hat die Belegschaft inzwischen ihre eigene Siedlung gegründet, die aus blauen Wohncontainern besteht und nun schon zwei Stockwerke zählt. Im nahegelegenen Supermarkt teile ich mir seitdem regelmäßig das Warenband mit dem ein oder anderen Arbeiter, die sich dort seine Brotzeit mitnimmt.
Insgesamt hat die Baustelle vor meiner Tür das volle Programm dabei und da darf in Regensburg natürlich auch keine Bombenentschärfung fehlen. Bis dahin war ich nur indirekt von solchen Funden betroffen, wenn sich etwa Buslinien änderten. Dieses Mal war ich stattdessen inmitten des Geschehens, mitsamt dem Sprengradius, und wurde gemeinsam mit dem Wohnheim evakuiert, nachdem ein Baggerfahrer auf eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gestoßen war. Genauso wie viele andere meiner Mitbewohner waren wir in der Prüfungsphase gerade mit dem Lernen für die anstehenden Klausuren beschäftigt. Die Busse beim Exodus in Richtung Universität waren dementsprechend voll mit etwas verdutzten Studierenden. Bei der abendlichen Rückkehr kam der nächste Dämpfer. Das Wohnheim stand zwar noch, aber ein Zettel an der Tür teilte uns mit, dass die Bombe nicht entschärft werden konnte und deshalb morgen ein erneuter Versuch mit einer anderen Spezialmaschine durchgeführt werde. So durften wir am nächsten Tag dasselbe Spiel nochmals wiederholen. Diesmal allerdings mit einem positiveren Ausgang.
Während das Wohnheim die Entschärfung der Fliegerbombe lediglich für ein paar Stunden einschränkte, beschäftigte uns ein anderes Unglück auf der Baustelle etwas länger. In diesen Semesterferien durchschnitt ein Bauarbeiter versehentlich ein falsches Kabel, wodurch das Streaming im Wohnheim ein abruptes Ende fand. Es handelte sich um eine Internetleitung, wie dem Schreiben unseres Anbieters zu vernehmen war, der diesmal zumindest jemand anderen für den Ausfall beschuldigen konnte, anders als es sonst der Fall war. Die Stimmung im Wohnheim war dementsprechend schlecht, denn Probleme mit dem Internet waren auch in der Vergangenheit keine Seltenheit. Dazu aber ein andermal mehr. Letztlich dauerte es einige Tage bis die Grundversorgung wiederhergestellt war und die Serienmarathons fortgesetzt werden konnten.
Das waren meine bis dato einschneidendsten Erlebnisse als Nachbar von Regensburger Baustellen, aber bis zum Ende der geplanten Fertigstellung Mitte 2020 ist es noch etwas hin. Ich blicke auf jeden Fall mit Spannung entgegen, was mich in der Zeit alles noch erwartet.