Wie ein wenig zu viel Skepsis auch schaden kann
Derzeit sind die meisten meiner Nachbarinnen im beschaulichen katholischen Wohnheim irgendwo im Regensburger Osten in ihre wohlverdienten Semesterferien entschwunden und es geht ruhig zu im Mädchenwohnheim. Zeit, von einem unzustellbaren Paket und seiner Geschichte zu berichten.
Von Regina Polster
Mitte Januar befand ich mich in den Endzügen meines Praxissemesters und strampelte nach einem weiteren auslaugenden zehn-Stunden-Tag auf dem Rad zurück gen Wohnheim, wo ich an der Tür schnell noch die Post aus dem Briefkasten fischte, bevor ich endlich meine Wohnungstür hinter mir verschließen und mich erschöpft aufs Bett werfen konnte. Mein Kopf rauschte so, dass ich im Nachhinein nicht ausschließen würde, tatsächlicher Rauch wäre aus meinen Ohren gestiegen. Hunger meldete sich zwar bald an, ich befand mich aber erstmal für nicht in der Verfassung, das Bett so schnell wieder zu verlassen.
Da mein Handy im Rucksack am Boden lag (was definitiv zu viel Bewegung bedeutete), widmete ich mich auf der Suche nach Zerstreuung vom Arbeitsstress dem Stapel Post. Weil das Wohnheimzimmer nur mein Zweitwohnsitz war, den ich selten als Adresse angab, erreichten mich selten interessante Briefe und dementsprechend erwartungslos ging ich die einzelnen Papiere durch: Werbung, Werbung, eine Abrechnung von der Arbeit, noch mehr Werbung und eine Notiz von der Post: Weil man mich nicht angetroffen hat, läge mein Paket ab dem nächsten Werktag bei der Post Zentrale zur Abholung bereit. Das machte mich stutzig, welches Paket? Bestellt hatte ich aufgrund meines derzeitigen chronischen Geldmangels jedenfalls nichts.
Mit meiner deutschen Skepsis beschloss ich, dass das eine Verwechslung sein musste, welche ich als ehrlicher Wohnheim-Bewohner natürlich aufklären würde, so jedenfalls mein ritterlicher Vorsatz. Tatsächlich wurde das Arbeitspensum in den darauffolgenden Tagen aber nicht weniger und wenn ich nicht nach Feierabend noch andere Verpflichtungen hatte, freute ich mich einfach nur auf mein Bett. Das Paket rückte in den Hintergrund während mein Schlafbedürfnis sich in den Vordergrund drängte. Bis ich zwei Wochen später vom Amsterdam-Trip zurückkehrte und den Brief eines mir bis dato unbekannten Lebensmittellieferanten in meinem Briefkasten vorfand. Man bat mich darin, einen geeigneten Zeitraum für die Lieferung meines bestellten Probepakets anzugeben. Abermals meldete sich meine deutsche Skepsis, diesmal jedoch lauter: Diese Betrüger-Firma hatte doch glatt meine Adresse irgendwoher und wollte mir jetzt so ein Probe-dings schicken, was mich am Ende sowieso nur in eine Geldfalle locken würde!!! (Ich bin leicht zu bekommen für solche Verschwörungstheorien)
Sofort verfasste ich eine Mail an den besagten Lebensmittellieferanten, in der ich eher mehr als weniger forsch feststellte, dass ich von ihrer seltsamen Firma noch nie etwas gehört hatte, geschweige denn jemals eines dieser Probepakete bestellt hätte und sie mich bitte von nun an in Ruhe lassen sollten. Stolz auf meine Ansage machte ich einen innerlichen Haken hinter die Angelegenheit.
Kurz darauf traf ich mich mit einem meiner besten Freunde zum Sektfrühstücks-Picknick, um sowohl das Ende des Praxissemesters, als auch die ersten warmen Sonnenstrahlen auf der Haut zu zelebrieren. Irgendwann zwischen unseren Erzählungen, berichtete ich ihm von der kuriosen Sache mit dem Probe-Paket. Seine Reaktion war anders als erwartet: Er lachte erstmal herzlich und meinte dann belustigt und ein wenig verlegen, er hätte das Paket für mich angefordert, weil er Rabatt bekam, wenn er neue Kunden anwarb. Das hatte ich jetzt von meiner ewigen Skepsis: die Chance auf ein paar Bio-Produkte für lau verpasst.
Nächste Woche nimmt euch Selina wieder mit in ihre WG, wo es sicher spannender zugeht.