Ratisbonnais | Akkulturation in Dirndl – unser Dulterlebnis

Ratisbonnais | Akkulturation in Dirndl – unser Dulterlebnis

Unsere Autorinnen Olga und Lisa kommen aus dem Zentralmassiv im Herzen Frankreichs. Schon seit Oktober wohnen die beiden in Regensburg und haben die Stadt genauso wie die Eigenheiten ihrer Bewohner seitdem immer mehr ins Herz geschlossen. Der ein oder andere „what the fuck?!“-Moment bleibt ihnen allerdings auch jetzt noch nicht erspart. In ihrer Kolumne Ratisbonnais erzählen sie vom Leben als Französinnen am Weißwurstäquator.

13346176_1064184510316916_5614456301635099968_oDer Frühling neigt sich dem Ende zu und damit hat auch die Dult vor zwei Wochen ihre Türen geschlossen. Volksfest, Bierfest, Kärwa, wie auch immer man es nennt, diese fröhliche Versammlungen waren uns Französinnen fremd und sind den Bayern heilig. Wir wollten uns anpassen, Stichwort Akkulturation. Um nicht auf den ersten Blick aufzufallen hatten wir uns um das Äußere gekümmert und damit unsere ersten Dirndl gekauft. In unseren neuen Festtrachten und mit geflochtenen Haaren machten wir uns auf dem Weg zu dem geheimnisvollen Ort namens Dult. Seit Wochen wurde uns von jedem gefragt: »Na, wann geht’s auf die Dult?« und jetzt war es endlich soweit.

Praktisch ist es nichts anderes als einen Vergnügungspark, wo jeder findet, was er mag – fahren oder trinken, hier geht sogar beides. Als Dult-Newbies folgten wir fleißig der Menschenmasse, die sich pressten um in’s Hahn-Zelt zu kommen. Da merkten wir schon, dass es uns mehr als nur ein Dirndl kosten würde, um unseren »Wir sind weder Touris, noch Erasmus« Plan durchzuziehen.

Erste Etappe ist natürlich einen Platz zu finden. Wenn man da nicht frühzeitig auftaucht (und ohne Reservierung natürlich), kann das schon zur Challenge werden. Zum Glück sind die Dirndl anscheinend dafür gemacht, unsere Vorteile großzügig zu zeigen und dies kommt uns sehr zu Hilfe, wenn wir nach einem halben Quadratzentimeter suchen, wo wir uns reinquetschen können.

Als nächstes kommt die Bestellung. Ohne zu zögern bestellen wir Bier von einer offenbar sehr gestressten Bedienung. Zehn Minuten Später wird uns der göttliche Trank gebracht aber damit auch die Rechnung, die dann schon wieder gar nichts von Göttliches ans sich hatte. Da verstehen wir warum unsere germanischen Freunde an diesen Dult Tagen schon am frühen Nachmittag mit dem Vorglühen anfangen.

Bis dahin lief unserer Mission »Dult« ziemlich gut. Bis es dann an die wirklichen Herausforderungen ging: Nummer 1: Sich auf die Bänke stellen und dabei tanzen – fühlte sich an, als würden wir zum ersten Mal auf einem Surfbrett stehen und konnten nur schwer das Gleichgewicht halten. Wenn die anderen Erfahrenen neben uns springen und tanzen, wird es umso schwerer, aber Übung macht hier wohl den Meister und nach ein wenig Training fühlen wir uns wie ein Fisch im Wasser. Na gut, jetzt wo wir endlich stehen, müssen wir uns auch bewegen. Schnell herumschauen. Okay, in die Hände klatschen geht offenbar. Das können wir.

Und jetzt? Nochmal schnell umschauen. Singen (schreien?) kommt anscheinend als nächstes. Die Lieder klingen in unseren Ohren wie veraltete 80er Jahre Hits, die aber anscheinend trotzdem jeder kennt. – Schlager heißt diese Musikrichtung? Jetzt macht das mit dem Hände-Klatschen doch Sinn! Schnell lernen wir einige Sätze aus verschiedenen einfachen Liedern. Und Playback geht sonst auch immer. Den Preis für unser Lieblingslied verleihen wir dieses Mal an Hulapalu von Andreas Gabalier für seine sehr gut recherchierten Lyrics und auch weil es live in unseren Ohren wie das französische »Ouh la gadoue« klang (reinübersetzt: Uh der Schlamm).

Dieser Abend kommt uns in der Rückschau fast surreal vor. An den von Firmen reservierten Tischen scheint die Hierarchie auf einmal abgeschafft worden zu sein: Der Chef wird zum ersten Mal geduzt und man traut sich Sachen, die in den Bürowänden nie passieren würden.

Mutig sind auch die, die es sich auf die Bühne trauen: Einer hat es sogar gewagt seiner Freundin einen Antrag zu machen – danach war das Mikro vom Alkoholdampf bestimmt selber betrunken. Andere klettern an einer vier Meter hohen Holzsäule hoch (und schaffen es tatsächlich) , um ein Bier umsonst zu bekommen. Während der Dult scheint nichts zu übertrieben zu sein.

Jetzt wo auch wir den Dult-Wahnsinn miterlebt haben, können wir nur noch eins feststellen: genau das fehlt in Frankreich! Wir sehen uns also auf der Herbstdult!

 

Text: Lisa Tristan und Olga Lévesque
Foto: Sarah Marcinkowski

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert