Berührung heut mal anders
Was Bitteschön sind Liebes-Steaks, frage ich mich, als ich den Titel von Jakob Lass’ zweitem Film „Love Steaks“ höre. Bei solch einem Namen, einer Nominierung für den Deutschen Filmpreis und einer Auszeichnung für den Förderpreis des Deutschen Kinos in Regie, Produktion, Drehbuch und Schauspiel muss man einfach neugierig werden.
Eine Unterkunft im Abstellraum eines Hotelbetriebs, ohne Privatsphäre und ohne Toilette. So beginnt Jakob Lass’ „Love Steaks“. „Ist aber ein schöner Raum.“, meint Clemens, der männliche Protagonist, und verrät in diesem einen Satz bereits seine ganze Persönlichkeit. Er wirkt sympathisch, leicht trottelig, tollpatschig und – vor allem – zum Anbeißen schnuckelig. Gleich in der ersten Szene gewinnt er die Herzen der Zuschauer.
„Jetzt reib dich bitte an mir!“
„Love Steaks“ erzählt die Geschichte der Küchenangestellten Lara und dem Masseur Clemens, die sich während ihrer Arbeit im Hotel kennen lernen. Lara ist unglücklich in ihrem Job, sucht den Kick im Schnaps und in unüberlegten Aktionen. Clemens ist von Anfang an von ihr hingerissen. Es beginnt eine holprige, zauberhafte Annäherung, mal aus der Ferne, dann in einer atemlosen Intimität. Dabei verzichtet der Film auf jede Art von Kitsch. Absurde Komik wechselt sich ab mit knisternder Erotik und starker Leidenschaft, so fordert Lara Clemens auf, sich „wegen der positiven Energien“ doch bitte schön an ihr zu reiben. Jakob Lass zeigt eine unschuldig schöne Art, sich zu berühren, gepaart mit der schonungslosen Darstellung menschlicher Schwächen, die ja doch auch in romantischen Situationen auftauchen. Ein gefrorener Rotztropfen an der Nase, das Erbrochene am Mundwinkel, ein Kuss, der Spuckefäden zieht.
Begleitet werden Lara und Clemens von einer Kamera, die dauernd in Bewegung ist. Ein schneller Szenenwechsel und schon schauen wir durch einen Wald von Ananas-ähnlichen Gewächsen durch die Rückscheibe eines Autos. Der ganze Film wirkt wie eine grob zusammen geschnittene Dokumentation und gerade zu Beginn wenig professionell. Doch das ist schnell erklärt: „Love Steaks“ beruht auf völliger Improvisation. Es gibt keine geschriebenen Dialoge, nur eine grobe Vorstellung davon, wo eine Szene hinführen soll. Insgesamt verstecken sich in dem Film nur drei Berufsschauspieler: Lara, Clemens und eine Kundin bei der Massage. Die Übrigen sind tatsächliche Angestellte eines Hotels in Ahrenshoop. Bei dem einen oder anderen ging übrigens ein wirkliches Schauspieltalent verloren. Es gibt kein zusätzliches Licht, kaum genaue Anweisungen für Kamera und Ton – „Love Steaks“ ist ein Meisterwerk des Moments.
„Du musst nicht immer alles kontrollieren!“
Der teilweise an Slapstick erinnernde Humor stört nicht angesichts der unglaublichen Authentizität des Films. Genauso reden wir doch in der Realität miteinander. Ein besonderer Genuss sind auch die Monologe des Hotelchefs.
Trotz der vielen Witze zum In-die-Hose-Pinkeln, schafft es der Film auch, tief zu berühren und Dinge wie Hilflosigkeit, Angst, Verzweiflung und Fürsorge zu thematisieren. Hartnäckig und liebevoll versucht Clemens, die Fassade, die Lara um sich aufgebaut hat, zu durchbrechen. „Du musst nicht immer alles kontrollieren!“, flüstert er in einer Szene, die an die Substanz geht.
Gedreht aus Spaß an der Freude, ist dieser Film des Regiestudenten Jakob Lass, im zweiten Jahr an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg, eine Wohltat für Herz und Zwerchfell.
Nächsten Dienstag schon was vor?
Das Studikino zeigt „Love Steaks“ am kommenden Dienstag, den 02. Dezember, um 20 Uhr im Hörsaal 2. Eintritt: 1,50€ + einmaligen Semesterbeitrag von 0,50€.
Love Steaks, R: Jakob Lass, Deutschland, 2013, 89 Min