Irgendwas mit Berufen
Poetry Slammer Thomas Spitzer hat einen Gastbeitrag für die Lautschrift verfasst.
Wieso sind Berufe so unterschiedlich konnotiert?
Wenn ich den Leuten sage, dass ich mal als Pfleger gearbeitet habe, denken sie gleich, ich sei ein netter Mensch. Dabei kommt es doch immer auf den Kontext an.
Der Satz „Ich weiß nicht, was es ist, aber Sie haben es!“ hat zum Beispiel eine ganz andere Bedeutung, wenn er von einem Proktologen kommt.
Wenn ich sage, dass ich Autor bin, höre ich oft ein „Nein, wie interessant!“ Und werde danach in ein total uninteressantes Gespräch verwickelt, das meistens damit endet, dass ich mir irgendetwas durchlesen muss.
Eine Freundin von mir ruft mich jedes Mal an, wenn sie vor einer Werbung für Poetry Slams steht, um zu wissen ob ich „da dann auch“ bin. Ich hab sie letztens zurück gerufen. „Hallo Aylin. Ich stehe grad vor einer Zahnarztpraxis und höre jemanden bohren. Bist du’s?“
Wenn ich erzähle, dass ich VWL studiert habe, halten mich die Leute für arrogant. Wenn ich wiederum erzähle, dass ich auch Philosophie studiert habe, fragen mich die Leute nach Gras.
Ich stelle mir dann immer die Frage, wieso Leute so erpicht darauf sind, mich in eine Schublade zu stecken, während ich ihnen zwei Gramm feinstes Ganja in ein kleines Plastiktütchen abfülle.
Schließlich ist es doch eine ziemlich banale Erkenntnis, dass jede Tätigkeit spannende und weniger spannende Seiten hat, dass einen jeder Beruf irgendwann mal nervt und irgendwann mal Spaß bereitet und jeder müsste eigentlich aus seinem eigenen Leben wissen, dass Fachbereiche selten etwas mit dem öffentlichen Bild eines Berufs zu tun haben.
Ein Satz wie „Ah. Anwalt. Paragrafen und so.“ zeugt eher von Desinteresse und Respektlosigkeit als von besonderer Expertise und Anteilnahme. Oder nicht?
Wenn man mich in meiner Kindheit fragte, was ich werden wollte, sagte ich: „Cini Mini Bäcker.“
Ich konnte mir damals nichts Schöneres vorstellen, als Dinge mit Zimt zu bewerfen mit den Worten: „Ah, fertig!“ Und es stimmte mich sehr traurig als ich bemerkte, wie auswechselbar und unbeliebt dieser Job machen würde.
Stell dir vor, du sitzt in einem Großraumbüro und arbeitest seit 48 Stunden an einer Power-Point-Präsentation. Du rufst in der Abteilungsleitung an, sie mögen dir doch bitte einen Spezialisten vorbei schicken. Und dann kommt irgend so ein kleiner speckiger Koch rein, bewirft dich mit Zimt und ruft: „Ah, fertig!“
Das erinnert mich an ein Interview mit einer Pornodarstellerin, die einst sagte, das schlimmste, was ein ihr ins Gesicht ejakulierender Mann je gerufen hätte wäre: „Et voilà!“ (Im Ernst: Alle reden davon, wie zauberhaft französisch klingt aber die einzige mir im Gedächtnis gebliebene Vokabel ist das Wort für Butterblume: Le beurre fleur.)
Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Klischees.
Es dauerte lange bis ich begriff, dass die meisten Männer nach der Schule nicht Lokomotivführer werden, Astronaut, Cowboy oder Kuschelkönig. Oder eine Kombination – mittags Pirat, abends Konditor.
Was damals nicht abwegig klang. Ein Kumpel von mir nahm den Satz „Du kannst alles werden, was du willst“ bis zum Gymnasium so wörtlich, dass er dachte, man könnte wirklich alles werden. Also ein Tisch, ein singender Kerzenständer oder ein sprechender Hydrant.
Das war die erste Kränkung meiner Kindheit, dass ich nicht alles werden konnte, was ich wollte. Und, dass der Satz „Mach einfach das, was dir Spaß macht“ nicht weiter hilft. Ich meine, es macht mir auch Spaß Ploppfolie zu ploppen und trotzdem ist das nicht mein Beruf.
Die zweite Kränkung erfuhr ich, als ich merkte, dass selbst die normalen Berufe nicht so spannend sind wie man immer denkt. Ein Architekt spielt nicht den ganzen Tag Lego, sondern ist eher damit beschäftigt, Geld einzuklagen. Ein Professor steht nicht den ganzen Tag im Labor und macht „Muahahahahahaha“ während er einer fleischfressenden Pflanze Skateboard fahren beibringt. Und ein Bauarbeiter baut nicht den ganzen Tag Sandburgen. Nein! Er sitzt auf einer Mauer, trinkt Bier und ruft: „Ey, Chica.“
Und bei der dritten Kränkung merkte ich, dass man Berufe nicht erlernen konnte ohne ein ganzes Leben lang mit dem Bild des Berufs zu leben.
Obwohl doch die wenigsten bei der Ausbildung wissen, was sie später mal damit machen. Ich meine: Die Leute von Unheilig wollten bestimmt auch irgendwann mal Musiker werden…
Die Arroganz, die Akademiker anderen Berufen gegenüber an den Tag legen, widert mich an. Meine Bachelorarbeit haben sich zwei Leute reingezogen, diesen Text hier allein an manchen Abend schon fünfhundert. Für mich ist er also mindestens zweihundertundfünfzig mal so aufregend und wenn Leute das anders sehen, ist mir das egal. Aber vielleicht komm ich ja mal bei denen im Labor vorbei. Dann sag ich: „Aha. Physik. Warum kenn ich denn nichts von dir?“ „Du simulierst Chaos. Und davon kann man leben?“ „Was bist du? Achterbahnfahrkartenkontrolleur? Ja, da schauen die Leute sicher blöd, wenn du dich ganz oben im Looping abschnallst, aufstehst und sagst: Fahrkarten bitte.“ Oder: „Schau mal, da vorne, die Putzfrau, die macht das bestimmt nur wegen der Kohle.“
Aber hey, ich dreh mir mal ne Tüte, meine Fans haben nicht ewig Zeit. Wenn du ein lautes „Et voilà“ hörst, lass dich nicht stören, ich bin schneller wieder weg, als du „Butterblume“ auf Französisch sagen kannst.