Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten

Ab dem Sommersemester gibt es an der Fakultät für Sprache, Literatur und Kultur vier Lehrveranstaltungen der Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft. Aber was bedeutet das eigentlich, Kollektivwissenschaft? Ein Gespräch mit dem Direktor der Forschungsstelle, dem emeritierten Amerikanistikprofessor und Kulturwissenschaftler Klaus Hansen.

Professor Klaus P. Hansen und sein Mitarbeiter, Dr. Jan-Christoph Marschelke
Professor Klaus P. Hansen und sein Mitarbeiter, Dr. Jan-Christoph Marschelke

Lautschrift: Der Begriff Kollektivwissenschaft geht auf Sie zurück, was verstehen Sie darunter?

Klaus Hansen: Auf der untersten Ebene lassen sich Kollektive über eine Gemeinsamkeit bilden; dann wären zum Beispiel Kaffeetrinker oder Regensburger Altstadtbewohner ein Kollektiv. Im Gegensatz zu einer Gruppe haben solche Basiskollektive keine Sozialfaktoren. In einem Tennisclub zum Beispiel kennen sich alle und es ist klar, wie viele Mitglieder er hat; der Club wäre eine Gruppe und wäre für die Kollektivwissenschaft ein Kollektiv mit Sozialfaktoren.

Lautschrift: Im Namen Ihrer Forschungsstelle taucht auch das Wort Kultur auf, ist Kollektivwissenschaft nicht einfach eine Form der Kulturwissenschaft?

Klaus Hansen: Da gibt es schon einen Unterschied – wenn auch keinen großen. Die Kulturwissenschaft sieht sich eher die Inhalte an, also wie sich die Leute in einem bestimmten Kollektiv verhalten, die Kollektivwissenschaft vielmehr die Strukturen. Sie will herausfinden, ab wann ein Kollektiv ein Kollektiv ist und wie viel Verallgemeinerung zulässig ist; oder, da jeder Mensch mehreren Kollektiven zugleich angehört, wie diese miteinander verwoben sind.

Lautschrift: Die Forschungsstelle beruht auf einer Kooperation zwischen der Uni und Ihrer Stiftung, der Hansen-Stiftung, die vergibt Stipendien an Promovierende aus verschiedenen Fächern …

Klaus Hansen: Ja, wir sind offen für Leute mit Ideen aus verschiedenen Bereichen – sie müssen eben nur über Kollektivität forschen. Neben monatlich 800 Euro – bis zu zwei Jahre lang – helfen wir Ihnen mit unserer Expertise auf dem Gebiet der Kollektivität. Im Moment unterstützen wir sieben Promovierende. Einer davon, ein Jurist, geht zum Beispiel der Frage nach, wie und ob ein Kollektiv strafrechtlich verantwortlich sein kann und ob man es belangen könnte. Kann man erfassen, wer alles schuld ist? Im Strafrecht geht es bisher immer nur um das Individuum.

Lautschrift: Die Stiftung haben Sie mit dem Vermögen Ihrer Eltern gegründet und wollen damit Kollektivität erforschen. Bis zum vergangenen Jahr arbeitete die Forschungsstelle mit der Uni Passau zusammen, weil die Ihnen kein ausreichend attraktives Angebot machen konnte, kamen Sie im Januar 2014 nach Regensburg. Was besagt der Kooperationsvertrag mit der hiesigen Uni?

Klaus Hansen: Die Universität kommt für die Stelle eines akademischen Rates auf, das kostet sie weniger als 100 000 Euro im Jahr. Die Hansenstiftung übernimmt im Gegenzug eine Gastprofessur, sie muss dafür etwa 120 000 Euro pro Jahr zahlen. Weil die Hansenstiftung noch nicht so viel Geld hat, ist die Gastprofessur derzeit – für die Stiftung kostenlos – durch mich besetzt. Erst wenn ich das nicht mehr machen möchte und die Stiftung genug Geld hat, werden Gastprofessoren von außen kommen. Der Vertrag gilt für 10 Jahre.

 

 

Infobox: Kultur- und Kollektivwissenschaft an der Uni Regensburg ist kein Studiengang, die Forschungsstelle bietet für Studierende im Sommersemester jedoch vier Veranstaltungen an: am Institut für Kulturwissenschaft die Seminare „Kulturelle Traditionen auf dem gesellschaftlichen Prüfstand: Stierkampf, Fuchsjagd, Waffen“, „Konflikte zwischen Recht und Kultur“ sowie die Vorlesung „Kultur und Kulturwissenschaft – Eine interdisziplinäre Einführung“ ; am Institut für Romanistik eine Übung zur „Einführung in die interkulturelle Kommunikation“.

 

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