Hot sugar, baby!
Die Bühne verschwimmt im gleißenden Gegenlicht, die Beats wummern durch die Sommerhitze. Tanzende im Sandstaub. Und wir feiern kräftig mit: Die Lautschrift war am Samstag beim Zuckerbrot-und-Peitsche-Festival. Ein kleiner Mitschnitt.
Die Hitze schnalzt über die gerötete Haut. Ein Peitschenschlag, der brennt. Einen passenderen Titel hätten sich die Veranstalter der Suite 15 für ihr neues Elektro-Festival nicht aussuchen können. Auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik im Regensburger Osten hat die Sonne leichtes Spiel: Schatten spendet nur der Vordermann in der Menge, wenn er die Hand zum Rhythmus in die Höhe reißt. Das Zuckerbrot: die Musik und Sommerferienstimmung.
Pünktlich zum Ende der Prüfungswoche lassen wir uns von dröhnenden Elektro-Beats die auswendig gelernten Skripte aus dem Schädel hämmern. Was noch übrig bleibt, kann dann die Sonne versengen. Der Sound: ein buntes Potpourri an Stilen der elektronischen Musik, von House bis hin zu Techno im Paradise-Circus-Zelt, der Nebenbühne. Die Stimmung ist blendend. Festival-Flair kommt trotzdem nicht auf: zu wenig Alkoholleichen.
Während wir an der überrannten Theke Schlachten um Flüssigkeiten schlagen, heizen die Sonne über und Fritz Kalkbrenner auf der Bühne um die Wette ein. Rein ins Tanzgetümmel. Unsere Füße zucken durch den staubigen Sandboden, die Arme rudern im Sonnenlicht. Vor uns legt der Kerl im roten T-Shirt im Marschtanzstil Kilometer zurück. Kalkbrenner ist mit seiner Spielzeit am Nachmittag vielleicht etwas zu früh gesetzt. Die schwitzende Menge bringt er trotzdem zum Kochen. Und der Marschierende in Rot muss längst einen Eisbach in Nordsibirien erreicht haben. Der Glückliche.
Wir röcheln nach Wasser. Ein kleiner Becher kostet zwei Euro fünfzig. Schon dreist. Das Wasser, das die Veranstalter per Gartenschlauch in die geschlauchte Menge spritzen, erreicht nur die ersten Reihen vor der Bühne. Vielleicht ist es auch eine Fata Morgana. Wir lassen uns vom Schatten zur Nebenbühne locken. Vor dem Zirkuszelt wird Zuckerwatte vertickt, drinnen fühlt sich die Luft an wie Watte vollgesaugt mit Wasser. Für Techno- und Minimal-Fans ist Jan Unterdörfer das Highlight. Seine Kostprobe an tiefen Bässen und simplen, stampfenden Melodien kommt im dunstigen und heißen Zelt gut zur Geltung. Nur technisch hapert es vor allem bei den Übergängen.
Währenddessen geben auf der Mainstage die zweiköpfige Crew von Monkey Safari ihr Set zum Besten. Mit ihren vielfältigen Einflüssen aus allen Musikrichtungen und einer Grundstimmung, die sie als »immer fröhlich« bezeichnen, sind sie genau das Richtige, was der blaue, wolkenlose Himmel und die strahlende Sonne dem Festivaltag versprochen haben. Die Musik bewegt zum Hippie-Flower-Power-Tanzstil: Das Mädchen im knallpinken Bikini-Oberteil und der hawaiianischen Plastikblumenkette wippt flippig mit den Hüften, die Hände gen Himmel gestreckt, ihre Füße tapsen am Boden. Die Luft flimmert im Gegenlicht.
Langsam senkt sich die Sonne hinter der Bühne und taucht die Kranszenerie am Horizont in orange-rotes Abendlicht. Moonbootica treten zum Ende des Open-Air-Festivals als krönender Abschluss auf. Die beiden Hamburger legen viele ihrer bekanntesten Produktionen auf, experimentieren aber auch ein wenig, um Drops einzubauen, die immer wieder zu neuen Höhepunkten führen sollen. Es ist Geschmackssache, ob man die ständigen Unterbrechungen gut findet, damit sich ein neuer Abschnitt seine Bahn brechen kann, oder ob man lieber durchgehende Tanzpassagen bevorzugt.
Wir sind auf jeden Fall nochmal voll dabei, machen jeden Passagenwechsel mit, kreisen, federn, biegen, wippen, springen. Vor uns zelebriert ein Halbstarker seinen Muckibuden-Affentanz oben ohne – Balzaufführung mit selbstverliebtem Grinsen und Kippe zwischen den Lippen. »Mein Bruder«, schreit eine feste Frau im grünen T-Shirt. Ihre Stimme klingt dabei ziemlich stolz. Sie tanzt so enthusiastisch-exzessiv, dass ihr Stampfen auf der anderen Erdseite ein Erdbeben auslösen könnte. Ihre Begeisterung springt über. Die Menge wirbelt im finalen Tanzrausch den Sandstaub auf. Wir wirbeln und wuseln eifrig mit.
In der Regensburger Nachtszene sind Moonbootica keine unbekannten Gäste. Die Suite 15 haben sie mit ihren Sets schon oft besucht. Die letzten zwei Stunden des Festivals vergehen wie im Flug. Mit dem Song »June« als Rausschmeißer können alle sehr gut leben. Die Arme gehen kollektiv in die Höhe. Auch bei dem selbstverlorenen Partymaker neben uns, der sich vor allem selbst feiert, den Becher im Mund, damit er die Hände frei hat, um seine Fäuste in Jubelpose zu recken. Das Bühnenlicht blendet nochmal auf, die DJs treiben zum letzten Höhepunkt, es dröhnt in den Ohren. Ein letzter Knall, ein letzter zuckender Move, dann geht der ausklingende Sound im Klatschen und Schreien der Leute unter. Um 22 Uhr ist die Party vorbei.
»Ich brauch’ drei Flaschen Wasser«, stöhnt ein Festivalbesucher am Ausgang und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er spricht allen aus der Seele. Der Durst peitscht uns auf dem Heimweg schneller Richtung Altstadt. Unser Zuckerbrot sind zwei Flaschen Wasser und ein paar Pizzen am Donauufer.