Tote Hosen auf dem Kompost
Weniger Fleisch essen oder Fahrgemeinschaften bilden – Verzicht und Effizienzsteigerung sind wohl die am weitesten verbreiteten Methoden, um die Umwelt zu schützen. Die Biologin Sonja Eser hat einen lebensfroheren Ansatz: die Natur nachahmen. Sie möchte, dass Produktion und Nutzung in einem Kreislauf stehen. Zum Beispiel mit kompostierbaren T-Shirts.
Die Rohstoffe eines Produktes gehen nach dessen Nutzung vollständig in die Produktion zurück – so lautet das Ideal der Kreislaufwirtschaft. Und die ist sogar “deutschlandweit und europaweit gesetzlich verankert. Was noch fehlt, um die Dinge wirklich im Kreislauf zu halten, ist ein dementsprechendes Design und eine Veränderung der Prozesse”, sagt Eser.
Ein mögliches Konzept dafür ist „Cradle to Cradle“. Es wurde 2002 vom deutschen Chemiker und Grünen-Mitbegründer Michael Braungart und dem amerikanischen Designer und Architekten William McDonough entworfen und besagt, dass alle Produkte wiederverwertet werden sollen. Die Biologin zeigt ein Foto von „Willowman“, einem US-Amerikaner, der unter einen Vogelkäfig aus Weidengeflecht einen Salatgarten gebaut hat. So können die Ausscheidungen der Vögel den Salatköpfen zu schnellerem Wachstum helfen – als Dünger.
Sparen ist nicht nötig
Die Idee: Man muss nur klug genug überlegen, wo wer wann welches Material gebrauchen kann, dann ist sparen nicht nötig. Eine schöner Gedanke. Wie einigen anderen Politikern und Unternehmern gefiel das auch Arnold Schwarzenegger: Als er noch Gouverneur war, sagte er, dass er das Konzept in Kalifornien etablieren wolle. Und Braungart und McDonough haben „Cradle to Cradle“ sogar als Marke eintragen lassen – wer einen Konsumartikel unter dem Label verkaufen möchte, zahlt.
In Deutschland steht das Etikett beispielsweise auf den kompostierbaren T-Shirts der Textilfirma Trigema. Aber auch Marken wie Nike, Puma oder OAK produzieren Kleidung, die man getrost im eigenen Vorgarten entsorgen könnte. Konventionelle Kleidung hingegen dürfe man gar nicht auf den Kompost werfen, sagt Eser. Schuld daran sind die Chemikalien. Die werden für die Behandlung und die Färbung gebraucht. „Besonders in Schwarz sind oft noch Schwermetalle dabei“, sagt Eser, aber auch Grün sei oft stark belastet.
Und schließlich ist auch nicht jedes Material gut zerlegbar. Entgegen der Erwartung ist Polyester oft besser recycelbar als Baumwolle oder Leinen. Denn Polyester enthält verschiedene Fasern, die getrennt werden können. Baumwolle hingegen ist oft durch den natürlichen Prozess schon abgenutzt, und die Fasern sind zu kurz, um es zu hochwertiger Kleidung zu verarbeiten. Daraus können vielleicht noch Putzlappen gemacht werden. Sehr gut zu verwerten ist beispielsweise Fleece, aus Sportkleidung oder gegerbten Leder hingegen kann man kaum noch etwas machen.
Kompostieren statt verzichten
Hier liegt auch ein Problem des „Cradle to Cradle“-Konzepts: Äpfel, Papier, vielleicht sogar Kleidung mögen komplett kompostierbar sein – Laptops, Kaffeemaschinen und Fieberthermometer wohl kaum. Solche Produkte sollen nach „Cradle to Cradle“ so hergestellt sein, dass sie zerlegbar und ihre Einzelteile komplett wiederverwertet werden können. Das ist organisatorisch sicherlich kompliziert. Ungewöhnlich scheint auch, dass man, wenn man sich an das „Cradle to Cradle“-Konzept hält, guten Gewissens so viel konsumieren darf, wie man will. Es muss nur kompostierbar sein.
Eine Strategie, die womöglich auch H&M gerade fährt: In den Läden stehen große grüne Boxen, in die Kunden alte Kleidung werfen können. Diese wird dann weiterverwendet, zum Beispiel für Putzlappen. Die Kunden bekommen im Gegenzug Rabatte für neue Einkäufe – und ein gutes Gewissen obendrein.
“Die Diskussionen über Verzicht verändern leider die Systemstrukturen nicht, nach denen Dinge hergestellt werden. Dafür machen sie uns ein schlechtes Gewissen”, sagt Eser. Das hemme die Kreativität, die ja schließlich momentan die wichtigste Kraft des Menschen sei, um die Art, wie wir mit dem Planeten umgehen, zu verändern.
Kreative Lösungen in Sachen Kompostierbarkeit finden sich auch außerhalb der Bekleidungsbranche: Schwäbische Unternehmer etwa haben flüssiges Holz entwickelt, und die Firma Evocative Design stellt Verpackungen aus Pilzen her: Die Sporen werden in eine Form gegeben und wachsen in der vorgegebenen Form. Die Recyclingschuhe könnte man dann in der Pilzschachtel direkt in die Wiese werfen. Der erste Schritt in die ökologische Wegwerfgesellschaft wäre getan.
Wachstum vs. Nachhaltigkeit ? Vom 14. bis 16. Mai fanden erstmals die Hochschultage Ökosoziale Marktwirtschaft an der Uni Regensburg statt. Die Autorin hat einen Workshop bei der Biologin Dr. Sonja Eser besucht.
Schöner Artikel :), aber mir fehlt ein wenig die Kritik:
Auch Kleidung, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip hergestellt wurde, kann NICHT im Vorgarten entsorgt werden, sondern nur in speziellen Kompostieranalagen. Ansonsten eigentlich ein schöner Ansatz, aber sicher kein Ersatz für weniger Konsum, denn auch Recycling verbraucht Energie und kann nie zu 100% funktionieren…
Was H&M betreibt ist mal wieder ein heuchlerisches Image-Aufputschen, denn ansonsten führen deren niedrigen Preise und schlechte Qualität ja nicht gerade zu Nachhaltigkeit. Außerdem kann man mit Altkleidern ziemlich Geld machen, die Aktion ist also nicht ganz uneigennützig.
Hey kekke,
dass H&M mit dieser Aktion uneigennützig handelt, glaube auch ich nicht. Was anderes habe ich auch nicht dargestellt. Aber hast du mehr Information über diese speziellen Kompostieranlagen? Darüber habe ich nichts gefunden, ist aber sehr spannend.