Die große Störfunktion
In der neusten Verfilmung des großen Gatsby gibt Regisseur Baz Luhrmann sein Bestes, dem Publikum des 21. Jahrhunderts den Roman Fitzgeralds und die Goldenen Zwanziger näher zu bringen. Doch die Brücke zwischen zwischen alt und modern kann er nicht schlagen – auch weil Tobey Maguire besser das Superheldenkostüm anbehalten hätte.
Erzählt wird die Geschichte über Jay Gatsby, einem Self-Made Millionär, von Nick Carraway, einem Gelegenheitsautor, der sich mit einem Job als Finanzberater an der New Yorker Wall Street über Wasser hält. In einem bescheidenen Häuschen in West Egg, Long Island, wohnt er neben Gatsbys Anwesen, lange Zeit ohne ihn zu kennen. Bei einem Besuch auf der anderen Seite der Bucht in East Egg bei seiner Cousine Daisy und dessen Mann Tom erzählt ihm eine Freundin seiner Cousine vom berühmten Gatsby und seinen allbekannten Parties. Ziemlich schnell erfährt Nick auch von Myrtle, der nicht sonderlich geheimen Geliebten von Tom, und verbringt schon bald einen Nachmittag mit ihnen und Freunden des Paares in einem New Yorker Hotelzimmer. Bei einer der legendären Parties in Gatsbys Villa bekommt Nick schließlich auch mit, dass Gatsby Daisy bereits kennt – sie sind sich vor Jahren schon einmal begegnet, haben jedoch keinen Kontakt halten können.
Ehe er sich versieht, rutscht Nick in ein Gefilde aus Lügen, Intrigen und Alkohol, das nur oberflächlich von Glanz und Schein überdeckt wird, und an dem er letztendlich soweit zerbricht, dass es zur Einlieferung ins Sanatorium kommt. Von dort erzählt Nick die Geschichte in der Retrospektive.
Regisseur Baz Luhrmann versucht mit einem großen Aufgebot an Darstellern aufzutrumpfen, und zumindest bei Leonardo DiCaprio als Titelfigur und Carey Mulligan als scheinbar naive Daisy gelingt ihm das. Das Zusammenspiel der beiden als (heimliches) Liebespaar überzeugt und lässt den Zuschauer zumindest stellenweise in die Tiefen einer Liebe eindringen, die sich über Jahre hinweg gehalten hat. Doch Tobey Maguire als Nick Carraway wird sein Spiderman-Image trotz großer Bemühungen nicht los.
In Situationen, in denen die Augen wieder von Maguire besonders groß über das so schillernde Leben der Reichen und Schönen werden, möchte man ihm am liebsten zurufen, das Superheldenkostüm auszupacken, um zu retten, wer und was in der Geschichte noch zu retten ist.
Seine Stimme, die Ereignisse aus dem Off kommentiert, und die gelegentlichen Sprünge in die Gegenwart der Psychiatrie wirken, als sei Luhrmann nicht überzeugt von der Tragkraft der Geschichte. Vielleicht ist er aber auch ein wenig zu ängstlich, dass sich das Publikum dem Film zu sehr hingibt – was der Geschichte eigentlich nur gut täte. Auch ohne diese leidige Kommentarfunktion Maguires stünde der Film gut da – und vielleicht sogar besser.
Das jedoch ist nicht die einzige Störfunktion im Film. Auch die doch sehr surreal wirkenden Bilder halten die Geschichte immer und immer wieder auf anstatt die Emotionen der Charaktere zu untermauern. Zu märchenhaft lässt Luhrmann kontrasthaltige, farbintensive Bilder auf das Publikum einprasseln.
Man weiß letztendlich nicht, ob er damit nur der neuesten Kinotechnologie folgen will oder nicht vielleicht doch sanfte Kritik an der damaligen Gesellschaft übt, die mehr Schein als Sein war.
Mit großen Namen und Hiphopbeats zu Jazzklängen soll nun also auch die jüngere Generation ins Kino gelockt werden – zu einem Klassiker, der schon vor knapp 90 Jahren entstand. Jedoch ist letztendlich die Schere zu groß, und die Brücke zwischen altmodisch und (zu) modern zu gewagt. Manche können vielleicht die übertrieben märchenhaften Darstellungen und einen nur sporadisch überzeugenden Maguire sicher verzeihen, um mit DiCaprio und Mulligan mitzufühlen und zu leiden. Ob Fitzgerald jedoch mit einer so freien Interpretation seines größten Werkes – mit einer neuen Rahmenhandlung und einem Soundtrack mit Beiträgen von unter anderem Jay-Z und Florence + The Machine – zufrieden wäre, bleibt zu bezweifeln.