Hier geht‘s um die Wurst!
Grillsaison bedeutet Hochkonjunktur für Bratwürste. Damit die Truhen in den Supermärkten voll bleiben, verarbeitet ein Fleischwerk in Obertraubling 400 Schweine und 18 Bullen pro Tag. Im Rahmen der Mensaaktionswoche „Blick über den Tellerrand“ schaute eine Lautschrift-Redakteurin bei der Herstellung von Bratwürsten zu.
Die ersten Sonnenstrahlen kitzeln auf der Nase, die Jahninsel gleicht einem riesigen Flickenteppich aus Decken, Bierkästen und Holzkohlesäcken: ganz klar, die Grillsaison ist eröffnet. In der Grillabteilung im Edeka am Neupfarrplatz herrscht gähnende Leere in den Regalen. Auch der Dauerrenner, die 14er Packung Grill-Bratwürste ist längst vergriffen. Bis auf einzelne Packungen mit Tofuburgern ist alles ausverkauft. Kurz vor Ladenschluss beugen sich Kunden immer wieder enttäuscht über die Kühltruhen und müssen ohne westerngewürzte Beute von dannen ziehen: „Dann grillen wir eben morgen!“
Doch was muss alles passieren, damit sich die Regale am nächsten Morgen auf scheinbar wundersame Weise wieder füllen? Und wie genau entsteht unser Grill-Hit, die Bratwurst? Antworten gab es bei einer Führung durch das Werk des Edeka-Zulieferers „Südbayerische Fleischwaren“, die im Rahmen der Mensaaktionswoche „Blick über den Tellerrand“ kostenlos angeboten wurde.
Die Anzahl der interessierten Studierenden war, vielleicht aufgrund der frühen Uhrzeit, sehr überschaubar. Um 7:30 Uhr warten wir am Bahnhof auf den Bus, der uns nach Obertraubling in das Paradies jedes Grillfans bringen soll. Wir rätseln, was uns in dem Betrieb erwartet. Fast die Hälfte der Gruppe ist bereits Vegetarier: Werden es nach der Führung ein paar mehr sein?
Am Werk werden wir vom technischen Betriebsleiter Herrn Stemplinger empfangen. Lächelnd steht der gelernte Metzger – kurze dunkle Haare, Brille und weiße Jacke mit Firmenlogo – vor uns und klärt uns in bayerischem Dialekt über die Hygienevorschriften auf. Keine Taschen, kein Schmuck und Hygienekleidung ist Pflicht. Während wir den Eingang der weißen Ganzkörper-Overalls suchen, in die blauen Fussüberzieher schlüpfen und Hauben mit Mundschutz aufsetzen, unterhält uns Stemplinger mit Anekdoten über verlorengegangene Eheringe bei früheren Führungen. Bekleidet wie ein Team der Spurensicherung betreten wir durch die Hygieneschleuse die Produktionshallen. Die Suche nach der Herkunft der Bratwurst beginnt.
Bereits in der ersten Verarbeitungshalle bestätigen sich die gängigen Vorstellungen über ein Fleischwerk. Ein penetranter Fleisch- und Blutgeruch steigt uns in die Nase. Die Verursacher lassen sich schnell ausmachen: zwei Kisten voller Schweineschwarten. Diese Tierhäute dienen, wie uns Stemplinger erklärt, zur Herstellung von Gelatine. Über rutschige Fließen gelangen wir in den nächsten Raum, in dem sich einige Rollcontainer voller Blut befinden. Mein anfängliches Gefühl der Flauheit schlägt langsam in Übelkeit über. Ich blicke mich suchend nach möglichen Toiletten um. Stemplinger, der bereits mehrfach bei Führungen miterlebt hat, dass sich Teilnehmer übergeben mussten, schleust uns schnell an den roten Becken vorbei und bringt uns zur Geburtsstube unseres Grillklassikers. In dem relativ kleinen Raum befüllen die Mitarbeiter große eckige Maschinen mit Fleischstücken. Die fränkische Rostbratwurst, die in dem Betrieb produziert wird, besteht überwiegend aus Schweinefleisch, das jeden Morgen frisch von bayerischen Schlachtereien an das Fleischwerk geliefert wird. „Wir kaufen nur so viel Fleisch wie hier im Werk verbraucht wird!“, unterstreicht Stemplinger die Philosophie des Betriebs, kein Fleisch zu verschwenden.
Sowohl das Schweine- als auch Rindfleisch, das in dem Werk verarbeitet wird, stammt zu 100 Prozent von bayerischen Bauernhöfen. Bei einer Premium-Fleischsorte, dem sogenannten Bayernsteak, ist sogar ein Einzeltiernachweis möglich. „Da wissen wir das Fleisch ist vom Bullen Maxl vom Huber Bauern“, referiert der technische Betriebsleiter stolz. Nachdem das rohe Fleisch durch den Fleischwolf grob zerkleinert worden ist, wird die hackfleischartige Masse in den sogenannten Cutter umgefüllt. Zwei scharfe Klingen im Inneren der Maschine zerschneiden das Fleisch weiter, bis das Grundbrät übrig bleibt. Um der Wurst ihre einzigartige Note zu verleihen folgt nun die Zugabe von verschiedenen Gewürzen und Salz. „Besonders wichtig ist der Thüringer Majoran“, schwärmt Stemplinger als wir langsam am Cutter vorbeischlendern. Er erklärt uns auch, dass jede Region, ob Ingolstadt, Traunstein oder Obertraubling, seine eigene Rezeptur zur Herstellung von Wienern und Weißwürsten hat. „Die Leute sind an einen bestimmten Geschmack gewöhnt. Deswegen schmecken die Wiener auch überall ein wenig anders.“ Als wir dem Produktionsweg folgen, gelangen wir an eine überdimensionale Eiscrushmaschine aus der kiloweise kleine Eisstücke herausfallen. Das Eis stellt zugleich die letzte Zutat dar, die zusammen mit den Gewürzen und dem Brät, der Bratwurst Leben einhauchen soll.
Das fertige Brät, das wie weißer Teig aussieht, läuft durch einen großen Hahn cremig in einen Rollwagen und wird von einem der 100 Werksmitarbeiter in die Füllerei geschoben. Dicke, dünne, kurze, lange, braune und weiße Würstchen hängen hier aneinandergereiht an unzähligen Stangen und warten auf den Abtransport. Unsere fränkische Rostbratwurst erhält hier ihr Kleid: 22 Millimeter Schafdünndarm. Blitzschnell wird das Brät in den weißen Darm gepresst, von Mitarbeiterinnen mit roten Plastikhauben kontrolliert und auf die Stangen sortiert. Während die Würste in einer Endlosschleife an uns vorbei ziehen, erzählt uns Stemplinger von einem fehlgeschlagenen Versuch Eiweißdarm statt Tierdarm für die Wurstherstellung zu verwenden: „In Süddeutschland braucht man Naturdarm!“. Rund 25 Tonnen Wurst werden am Tag in dem Fleischwerk hergestellt. Das heißt, dass an jedem Produktionstag circa 42 Tonnen Fleisch weiterverarbeitet werden. Das entspricht etwa 400 Schweinen und 18 Bullen. Bevor die Bratwürste nun bereit für den Weitertransport sind, werden sie von einigen Mitarbeitern per Hand aussortiert und vakuumverpackt. Schließlich folgt einer der wichtigsten Schritte der Bratwurstherstellung: die Nachpasteurisierung. Bei circa 80 Grad Celsius werden die Würste samt Verpackung erhitzt, um Mikroorganismen abzutöten. Nach einer erneuten Abkühlung werden die Packungen in rote Plastikboxen geschichtet und warten dort auf die Auslieferung.
„Schönen Feierabend Maria! Mach‘s gut!“ Stemplinger verabschiedet beim Verlassen des Produktionsbereichs eine Mitarbeiterin und betont: “Das Werk ist wie eine große, kleine Familie!“. Und diese familiäre Atmosphäre merken wir auch als wir zur Abrundung der Führung zu Wienern und Semmeln eingeladen werden. Die Kantine ist sehr klein und verfügt nur über ein paar zusammengerückte Tische und Stühle. Auch der Geschäftsführer Johann Baumer gesellt sich zu unserer Runde und genießt die Wiener aus Eigenproduktion. Man merkt wie stolz die beiden auf ihr Werk sind. Besonders die bayerische Herkunft des Fleisches liegt Baumer am Herzen: „Das Ziel ist es, dass alle Tiere in Bayern geboren, gemästet, geschlachtet und zerlegt werden“. Auch der Verzicht auf Geschmacksverstärker war dem Betrieb ein Anliegen. Dieses Vorhaben, das 2010 seinen Anfang nahm, zog sich über einen sehr langen Zeitraum, in dem viel mit Gewürzen experimentiert wurde. Dieses Projekt wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt. Auch unter psychologischen Aspekten sollten die Kunden nichts von der geschmacklichen Veränderung wissen, um mögliche Beschwerden zu vermeiden. Stemplinger sagt erleichtert: „Das war ein Prozess ohne Ende. Aber wir haben es geschafft!“
Nachdem wir uns von den beiden Männern verabschiedet haben, sind wir uns einig: auf längere Dauer hier arbeiten? Niemals! Aber es war allemal ein interessanter Einblick in die Lebensmittelproduktion und uns verbindet eine wichtige Sache mit Stemplinger und Baumer: die Hoffnung, dass uns das Grillwetter für die nächsten Wochen erhalten bleibt!
Weitere Veranstaltungen im Rahmen der Mensaaktionswoche
Donnerstag, 25. April:
- Aufklärung über vegane und vegetarische Ernährung;
- Vortrag über die Probleme der Wasserprivatisierung um 18.30Uhr im H8 (attac München und Rewag)
Freitag, 25. April:
- Bio und Gentechnik
Weitere Informationen gibt es bei Facebook.
Text und Fotos: Michela Schwinn