Leidenschaftlich rastlos, rastlos leidenschaftlich
Am 1. April hat der Amerikanistik-Professor Udo Hebel Thomas Strothotte als Leiter der Uni Regensburg abgelöst. Welche Hebel der neue Rektor umlegen will und warum die Uni zu Jurassic Park wird. Ein Besuch.
»Thank you for your message. I am on sabbatical and away from my office through 20 November.« Eine Sache wird schnell klar: Professor Doktor Udo Hebel ist schwer beschäftigt. Von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Gespräch vergehen mehr als zwei Wochen; einige knappe Emails und ein zufälliges Treffen auf dem Gang der Amerikanistik sind nötig, um den Rastlosen einzufangen.
Er benutzt mehr Anglizismen als Atempausen
Mittlerweile ist die jährliche Konferenz der American Studies Association, die diesmal auf Puerto Rico stattfand, vorbei und Hebel ist zurück an seinem Arbeitsplatz in PT 3.2.73. Hebel mag die Auslastung: »Mir gefällt es, mehrere Projekte gleichzeitig zu haben.« Neben dem Lehrstuhl in der Amerikanistik bestimmen weitere Ämter seinen Alltag: Unter anderem ist er auch Forschungsdekan und Präsident der German Association for American Studies. Ab dem 1. April 2013 startet Hebels größtes Projekt und er wird für acht Semester, Wiederwahl zulässig, das Amt des Unirektors bekleiden.
Donnerstag, 15 Uhr. »Einen Moment bitte, Herr Hebel ist noch kurz in einer Besprechung«, sagt seine Sekretärin. Nach einigen Minuten führt Hebel durch das Vorzimmer in sein Büro. »Ich bin gleich soweit«, sagt er, während er noch kurz seine Brille aufsetzt, um sein Handy zu bedienen. Hebel nimmt an dem runden Tisch vor seiner Eckbibliothek Platz und überschlägt die Beine.
Hebels Kolleginnen und Kollegen erzählten von seiner »unendlichen Leidenschaft« für Amerika. Als das Schlagwort Puerto Rico fällt, beschreibt Hebel in einem minutenlangen Monolog jegliche Details der Konferenz; er benutzt mehr Anglizismen als Atempausen und fast zehn Minuten vergehen.
Udo Hebel, Jahrgang 1956, verbringt seine Jugendjahre in Rheinland-Pfalz. Während seines ersten Amerika-Aufenthalts 1974 habe er seine Liebe zu den USA und die Offenheit der Amerikaner, vor allem aber auch deren Potential entdeckt. In Mainz studiert er Lehramt Englisch und Deutsch. Auf die Frage nach etwaigen Sünden während seiner Studienzeit geht er zunächst nicht ein, erzählt aber dann grinsend: »Natürlich gab es da welche – aber keine, die nicht abertausend andere auch begangen hätten.« Obwohl er laut eigenen Aussagen »praktisch äußerst unmusikalisch« ist, spielt die Musik während seiner Schul- und Studienzeit und auch heute noch eine große Rolle. Als das Wort »Reggae« fällt, lacht er laut auf und gibt zu, dass ihm diese Musik damals sehr gut gefallen hat. Neil Young und Bob Dylan verehrt Hebel auch heute noch. Richtige Idole während seiner Jugendjahre hatte er zwar nicht, von dem Bürgerrechtler Robert F. Kennedy, dem Bruder des ehemaligen Präsidenten, und dessen Persönlichkeit war und ist Hebel aber sehr begeistert.
»Kompromisse sind wichtig«
Nach dem zweiten Staatsexamen in Bad Kreuznach folgen 1988 Promotion und 1995 Habilitation, beide in Mainz. Dazwischen liegen viele Aufenthalte in den Vereinigten Staaten, unter anderem lehrt Hebel an den Universitäten Harvard und Michigan, reist aber auch privat road-trip-style quer durchs Land. Nach Professuren in Potsdam und Freiburg kommt Hebel mit seiner Frau Christine Moreth-Hebel und seinem Sohn Tobias, der heute im siebten Semester Medizin studiert, 1998 nach Regensburg. Trotz Angeboten aus Mainz und Freiburg ist er Regensburg seitdem treu geblieben.
Nach mehr als 14 Jahren wurde er jetzt zum Rektor gewählt. Er tut sich schwer, die Erwartungen an die kommende Zeit zu beschreiben: »Ich glaube, ‚gespannt’ ist das treffendste Wort. Gespannt, wie alles dann letztlich sein wird.« Als Prorektor konnte er sich bereits von 2006 bis 2008 in der Universitätsleitung einen Überblick über sein zukünftiges Tätigkeitsfeld verschaffen, insofern kenne er schon einige der Abläufe.
Nach Hebels Programmvorstellung vor dem Studentischen Konvent drangen auch kritische Stimmen aus dem Gremium. Etwas oberflächlich sei der Vortrag gewesen. Hebel erklärt, dass ihm die Internationalisierung der Uni am wichtigsten sei. Dabei hantiert er mit Schlagworten wie »globale Kooperation« und »nützliche Auslandsaufenthalte«. Mit einer stärkeren Verankerung der Universität in Stadt und Region möchte er Regensburg und ihre wirtschaftlichen Unternehmen für Studierende – etwa durch Praktika – zugänglicher machen. Nachwuchsförderung bedeutet für Hebel einerseits Promotionsmöglichkeiten zu erweitern und andererseits auch die Vereinbarkeit von Familie und Studium zu verbessern. Auch die Studiengebühren beschäftigen Hebel: »Man kann nicht leugnen, dass Studienbeiträge zur Verbesserung der Uni, wie beispielsweise durch mehr Personal und bessere Computerausstattung geführt haben.« Falls sie wegfallen, müsse der Freistaat unbedingt eine Möglichkeit zur vollen Kompensation finden. »Am wichtigsten ist mir aber die enge Zusammenarbeit mit den Studenten«, sagt Hebel. Als konkretes Beispiel nennt er die Umgestaltung des Modulaufbaus im Englischstudium: »Vor einigen Semester waren sechs Studenten, ein Kollege und ich in meinem Büro und haben besprochen, was geändert werden müsse. Ergebnis war unter anderem, dass Einführungsvorlesungen zwar bestanden, aber nicht gewertet werden müssen. Solche Kompromisse sind mir wichtig.«
Diese Zusammenarbeit wird bereits von Studenten sehr geschätzt. In einer Englisch-Facebookgruppe erzählen Kommilitonen von persönlichen Erfahrungen mit dem zukünftigen Rektor. Eine Studentin erinnert sich an eine Situation nach einer Klausur: »Er kam aus dem Hörsaal und hat uns Studenten gezielt gefragt, wie wir die Klausur fanden, ob das Niveau okay war oder man was verbessern könnte. Ich finde, das zeigt sein Engagement und auch, dass er unsere Meinung schätzt.« Eine weitere Studentin erzählt, dass Hebel sie an einen Dinosaurier erinnere: »Vielleicht weil ich ihn so furchtbar weise, aber auch süß und lieb finde und das mit Dinos in Verbindung bringe. Jedenfalls habe ich mich dank ihm und seiner Begeisterung erst näher mit Amerika beschäftigt, dafür bin ich ihm echt dankbar.«
»Er ist definitiv eine Autoritätsperson, aber nahbar!«
Auch seine unmittelbaren Kolleginnen und Kollegen sind begeistert von seinem »unvorstellbarem Wissen« auf dem Gebiet der Amerikanistik. »Es ist ein Privileg, mit ihm zu arbeiten. Er ist definitiv eine Autoritätsperson, aber gleichzeitig nahbar«, sagt Susanne Leikam. Nach Schwächen muss man Hebel selbst fragen. Ein ziemlicher Dickkopf könne er sein, sagt er, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt habe. »Aber das muss ja nicht immer unbedingt schlecht sein. Ich glaube auch, dass ich früher etwas sagen könnte, wenn etwas nicht so läuft wie es soll, aber ich habe immer großes Vertrauen in die Menschen.« Ähnliche Worte fielen auch von Mitarbeitern – sie nannten seine strikte Zielsetzung in der Amerikanistik aber als Stärke.
Neben dem Beruf bleibt Hebel nicht viel Zeit. Gelegentlich geht er zum Laufen. Die meisten seiner Interessen sind aber mit der Amerikanistik verknüpft. Auch privat liest er sehr gerne amerikanische Literatur. Sein Lieblingsbuch? »Das ist wirklich schwierig. Das kommt schon fast ein wenig populistisch, aber ich kann nicht leugnen, dass das Buch schon wirklich klasse ist: The Great Gatsby.« Und Lieblingsfilm? »Alexis Sorbas, eindeutig.« Die Handlung um Freundschaft, Liebe, Selbstmord und Lynchjustiz spielt in Griechenland, neben den Vereinigten Staaten Hebels liebstes Reiseziel.
Nach einer Stunde muss der Rastlose zum nächsten Termin und ist sichtlich in Eile. Während er seine Sachen packt, kommt er noch einmal auf seinen Lieblingsfilm zurück. Wieder blitzen Hebels Augen auf und er fängt an zu erzählen, geht auf die einzelnen Charaktere und das philosophische Konzept des Films ein, die Ästhetik und das überwältigende Ende … Es scheint, als vergesse er, dass er weg muss. Der Dino ist in seinem Element.
Foto: Johannes Hofmann
Der Text erschien in der Lautschrift-Ausgabe „Unter Druck“ im Januar 2013.