Der Cafetenschein: Stadtbesichtigung auf studentisch
Fast jeder kennt ihn an der Regensburger Universität und viele haben ihn schon bestanden. Dabei existiert er gar nicht. Er ist ein Dauerbrenner, eine Institution und in vielem ein Mysterium: der Cafetenschein.
»Machen wir mal den Cafetenschein?« ist ein Standardspruch an der Universität. Es geht weniger um Prestige, Anerkennung oder Stolz für die, die ihn erlangen. Vielmehr ist es eine Frage der Pflicht, der Einhaltung der Tradition, der Orientierung an einer studentischen Ideologie abseits der Hörsäle und Bibliotheken, in der Stressabbau und Ablenkung im Vordergrund stehen, nicht Büffeln und Pauken. Kurz: Der Student fühlt sich beizeiten veranlasst – nicht allzu überraschend bei einem Blick auf das zum Schönsaufen zwingende Bildungssystem – einen tiefen Blick ins Glas zu werfen. Der Cafetenschein bietet dazu eine gute Möglichkeit. Hierfür muss an jeder Regensburger Cafete ein Bier getrunken werden, nur: Die materielle Bestätigung, der Nachweis – das fehlte lange.
Bis vor Kurzem. Da betritt Thomas H., trinkfester BWL-Student und Mitglied vom Verein ReKISS, dem Regensburger Kommunikations- und Informationsserver für Studenten (Anmerkung der Redaktion: Der Verein ist mittlerweile nicht mehr aktiv), die große Bühne der Tradition Cafetenschein. Im Internet präsentiert er seine »Scheinklausur zur Erlangung der Cafetenwürde«, bereit zum Ausdruck und ausgestattet mit den kompletten Anforderungen. Auch eine Tabelle für die entsprechenden Cafeten-Stempel ist dort zu finden. Sie dient der Buchführung für die, die sich die Cafetenwürde schriftlich bestätigen lassen wollen. Der Student darf sich sogar einer Auswahl erfreuen: Je nach Trinkfestigkeit und Füllvolumen hat er die Möglichkeit, seinen ganz persönlichen Abschluss zu erlangen: Der »große Cafetenschein« schließt die Trinkstätten der Fachhochschule mit ein, für die »Cafetenwürde with Honors« wird jedes Bier mit einem Stamperl nachgespült. Damit keiner Unsinn baut, gibt Hirschvogel im Internet allen Scheinanwärtern einen guten Rat mit auf den Weg: »Bitte schaltet beim Absolvieren des Cafetenscheins euer Hirn nicht ganz aus.«
Sicher, sicher und ab auf die Piste – was für eine Art, die Universität und die Stadt kennenzulernen! Prost in der Mensa im Art Forum, Prost in Chemie, Prost in Sport! Da die Cafeten – hicks – nicht allzu lange geöffnet haben, ist das Erreichen dieses – rüüülps – Abschlusses meist ein Frühschoppen-Event.
Schwankende Truppen torkeln morgens von Station zu Station, grölend würdelos der Cafetenwürde entgegen.
Man fragt sich nach der Herkunft der Tradition. ReKISS-Vorsitzender Andreas Baumer glaubt an eine mündliche Überlieferung »von Generation zu Generation.« Und der Ursprung, die Geburtsstunde? Nahezu jeder kennt den Schein, der nicht existiert, aber keiner kennt seine Entstehung, die es doch irgendwann gegeben haben muss! Hoho, kompliziert. Ominös. Mysteriös. Geradezu obskur. O ja, darauf ein Bierchen. Prost! Zum Wohl! Cheers! Hoch die Tassen!
War es eine Erfindung oder ist der Brauch allmählich über die Zeit entstanden? Man weiß es nicht. Man lacht. Man trinkt. Hat der Student, seines Zeichens ein dauerhafter Sucher nach Ablenkung und Zerstreuung, der Altstadtkneipen überdrüssig, einfach eine Abwechslung gebraucht? Gab es einst gar einen visionären Hippie in ferner Zeit, da die Universität frisch in Beton gegossen ward – noch wasserdicht und innovativ -, der im künstlich intellektualisierten Zustand den Cafetenschein ins Leben gerufen hat? Haha. Das waren die Ideen, die bis heute überlebt haben, vom freien System dagegen ist nichts mehr übrig. Jawohl! Schande! Bildungsstreik! Prost im PT, Prost im Sammelgebäude! Mundabwisch. Nächste Station, nächstes Bier, nächster Schluck.
Vieles liegt im Dunkeln, woher kommt … – Prost! – woher kommt die Tradition nur? Warum eigentlich? Haha. Eigentlich völlig egal, oder? Scheißegal, lieber trinken, lieber singen. Was? Ja, bitte, ein Bier noch! Wo bin ich? FH-Mensa? Ja richtig, dann fehlt nur noch eine. CAFETENSCHEIN! SCHALALALALAAA, SCHALALALALALA. Was? Krankenwagen? Sicher, sicher, aber ins Uniklinikum! Cafete, bitte.
Hier kannst du dir den Cafetenschein als pdf herunterladen.
Die Cafetenschein-Prüfungsordnung wurde der Lautschrift von ReKISS zur Verfügung gestellt und steht unter einer Creative Commons-Lizenz, darf also verbreitet werden, sofern sie nicht kommerziell genutzt und ReKISS als Urheber sichtbar genannt wird.
Die Cafetenschein-Grafik beruht auf dem Corporate Design der Universität Regensburg. Das Bild darauf ist von Pia Weishäupl.
Text: Moritz Geier
Der Text erschien in der 8. Lautschrift im Winter 2008. Die Webseite von ReKISS ist mittlerweile offline.
Sehr geil!
Dann hab ich dieses Semester eine Prüfung mehr 😉
Schöner Text über eine der ehrwürdigsten Traditionen an der Uni Regensburg =)
Das ist der einzige Schein, bei dem ich volle Punktzahl hatte… leider wolltens den bei der Anmeldung fürs Examen nicht sehen 😉